Monitoring im Zeichen der EU-Klimaziele

Die EU-Taxonomie wurde aufgesetzt, um die Finanzwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, um Investments in klimafreundlichere Assets zu lenken und die EU-Klimaziele zu erreichen. Dies hat auch unmittelbar Auswirkung auf die Bewertung von Immobilien. Mit dem Ziel, den Klimawandel zu bekämpfen, werden grüne Immobilien positiv bewertet – und sind damit in letzter Konsequenz wertvoller als Immobilien, die den ESG-Kriterien nicht genügen.

Die Kriterien der EU-Taxonomie haben somit direkte Auswirkung auf das Monitoring und die Risikobewertung von Immobilien, außerdem beeinflusst bereits die Ankündigung kommender Maßnahmen schon heute das Marktverhalten. Im Jahr 2021 wurden 12,4 Mrd. Euro in als Green Buildings zertifizierte Gebäude investiert. Versicherungen, offene Fonds und geschlossene Fonds investierten im vergangenen Jahr bereits über die Hälfte ihres Anlagevolumens in zertifizierte Green Buildings.

Taxonomie + EU-Klimaziele

Bei der Immobilienbewertung unter Klimaschutz-Aspekten sind unterschiedliche Kriterien je nach Lebenszyklus der Immobilie zu beachten.

Bei Neubaugebäuden muss der Primärenergiebedarf jetzt mindestens 10 % unter dem nationalen NZEB-Standard liegen (NZEB = nearly zero-energy buildings, bzw. Niedrigstenergiegebäude). Für Neubaugebäude über 5.000 m2 sind zusätzlich Luftdichtigkeitstests, Wärmebrückennachweise und eine Lebenszyklusbetrachtung über den Treibhausgasausstoß erforderlich.

Bei Sanierung/Renovierung fordern die EU-Klimaziele eine Einsparung von min 30 % in Bezug auf den Primärenergiebedarf oder die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben für umfassende Sanierungen und größere Renovierungen.

Beim Erwerb von Bestandsimmobilien (gebaut vor dem 31.12.2020) gilt die Energieeffizienzklasse A andernfalls muss das Gebäude in die Gruppe der Top 15 % in Bezug auf den Primärenergiebedarf des nationalen/regionalen Gebäudebestands fallen.

Daneben gilt für die Beurteilung der Taxonomifähigkeit das DNSH-Prinzip (do no significant harm), nach dem eine Immobilie nur dann als taxonomiekonform gilt, wenn diese den anderen Umweltzielen keinen erheblichen Schaden zufügt. So muss beispielsweise bei jedem Neubauprojekt auf den Wasser- und Artenschutz geachtet werden. Auch die Einhaltung von Prinzipien der Kreislaufwirtschaft spielt dabei eine gewichtige Rolle.

Bewertungsrisiko im zeitlichen Verlauf

Die EU-Klimaziele sind ambitioniert, daher sind die ESG-Kriterien für die Bewertung von Immobilien dynamisch angelegt. Mit Blick auf die CO2-Emissionen pro Quadratmeter ist eine kontinuierliche Steigerung der CO2-Einsparungen bis zum Jahr 2050 vorgesehen. Für die Bewertung von Immobilien heißt das konkret: Eine Immobilie, die im Jahr 2022 die Kriterien für CO2-Emissionen erfüllt und daher als „grün“ gilt, erfüllt diese Kriterien mitunter bereits im Jahr 2028 nicht mehr. Die Gebäudewerte, mit Blick auf die CO2-Emissionen, bleiben relativ stabil, allerdings sinken die Werte für zulässige CO2-Emissionen jährlich. Wer dies bei der Bewertung von Immobilien nicht berücksichtig, läuft Gefahr einer Fehlkalkulation. Da Investoren ihre Ankaufsprofile zunehmend nach ESG-Konformität ausrichten, werden Immobilien, die diese Kriterien nicht erfüllen, künftig schwer am Markt zu platzieren sein. „Nicht-grüne“ Immobilien tragen das Risiko, zu „Stranded Assets“ zu werden und weisen daher ein höheres Exitrisiko auf.

Naturgefahrenanalyse

Das Risiko durch Naturgefahren ist hierzulande zum Glück gering. Nichtsdestotrotz gehören Faktoren wie Überschwemmung, Sturm und Starkregen in eine ganzheitliche Risikobewertung von Immobilien. Um diese Naturgefahren korrekt einpreisen zu können, haben Versicherungen Tools entwickelt, die für jeden Standort auf Grundlage verfügbarer geologischer, geographischer und meteorologischer Datensätze eine prozentuale Einstufung erlauben. Mit dem Tool K.A.R.L. Online der Köln Assekuranz zum Beispiel lassen sich Risikoeinstufungen unter Anwendung von naturwissenschaftlichen Prinzipien erstellen und in die Gesamt-Risikobewertung einbeziehen.

EU-Taxonomie und Immobilienbewertung

Die EU-Taxonomie hat die Immobilienbewertung bereits jetzt nachhaltig verändert. Der Markt hat schon reagiert, das oben zitierte Investorenverhalten in 2021 ist ein deutliches Signal und hier ist keine Umkehr zu erwarten. Zusätzlich werden die dynamischen ESG-Kriterien zur Erreichung der EU-Klimaziele die Anforderungen an grüne Immobilien weiter forcieren. Für das Monitoring und Risk Assessment von Immobilien müssen diese Kriterien unbedingt berücksichtigt werden, um zu korrekten und belastbaren Bewertungen zu gelangen.

Autor

Franz Muschler
Head of Property Analysis & Valuation Quality Assurance